Adenauer trifft Generation Y
60 Jahre Bundesrepublik

Wolfgang Schefuß

Geboren: Hamburg 1928
Wohnort: Köln
portraitiert am 09.10.2009



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Wie sehen Sie Ihr Leben? Was ist Ihre größte Sorge/Angst, was ist Ihr größter Wunsch?
Ich bin heute 81 Jahre alt, im Rückblick auf mein Leben bin ich sehr zufrieden, ich bin heute in der Lage meinen Interessen nachzugehen und die einzige Sorge der ich nachgehen könnte wäre der Gedanke zum Pflegefall zu werden.
Ich würde in diesem Fall nicht ins Heim gehen und mir Notfalls die Pflege ins Haus holen.
Mein größter Wunsch ist von dieser Situation verschont zu bleiben.



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Was könnten Politiker für Sie bewirken/beitragen/tun?
Die Politiker haben eine Situation geschaffen, in der jeder in größtmöglicher Freiheit leben kann. Ich erwarte von ihnen, dass sie diese Situation erhalten.



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Warum wählen Sie? Warum wählen Sie nicht?
Wir haben uns die Demokratie nicht erarbeitet, sie ist uns unverdientermaßen geschenkt worden. Zu diesem Geschenk gehörte das Wahlrecht, es wäre unhöflich es abzulehnen. Daher bedeutet Wahlrecht, Wahlpflicht.



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Was hoffen Sie für die Zukunft? Ihre persönliche Zukunft und die Zukunft Deutschlands, ggf. der Welt?
Für die persönliche Zukunft Wünsche ich mir neben der Gesundheit, geistige
Fähigkeiten mit denen ich mit der Gegenwart Schritt halten kann.
Für Deutschland erhoffe ich eine bessere Bildungspolitik mit Perspektiven für die
junge Generation und die Entwicklung einer Struktur welche die Möglichkeit zu einer
Konkurrenz nach außen offen hält.
Für die Welt eine Ablösung des Turbokapitalismus, das heißt Freiheit von
kapitalistischer Ausbeutung.



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Wie sieht Ihre Utopie für eine lebbare Gesellschaft aus?
Da sich eine immer größere Kluft zwischen der alten und jungen Generation auftut, denke ich an eine Generationenübergreifende Kommunikation.
Das heißt zusammenleben und arbeiten von jung und alt.



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Welche Rolle spielt Politik in Ihrem Leben? Engagieren Sie sich in irgendeiner Form politisch?
Nach unserer Geschichte und wegen der erschreckenden Berichte über den nach
wie vor in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Antisemitismus, beteilige
ich mich an allen Aktionen, die dem begegnen könnten.
Außerdem bemühe ich mich in vielen kulturellen Bereichen um eine Steigerung des
Anspruchs.



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Wie lautet Ihr Wahlspruch?
Meinem Alter entsprechend jeden Tag zu leben und zu wirken als könnte es der Letzte sein.



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Was bedeutet es für Sie in Deutschland zu leben? Ist Deutschland Heimat für Sie?
Die ungeheure Vielfalt der Natur und der kulturelle Reichtum macht ganz Deutschland für mich zur Heimat.
In keinem anderen Land könnte ich mir diese Vielfalt vorstellen.



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Wie und wo haben Sie das Kriegsende am 8.Mai 1945 erlebt?
Ich habe das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebt in einem amerikanischen Gefangenenlager in der Nähe von Schönberg in Mecklenburg, etwa 30-40km von Lübeck entfernt. Ich bin damals schwer erkrankt an Ruhr, weil ich wochenlang vorher nur Fleischkonserven gefressen hatte. Und ich hatte das große Glück, dass ein deutsch-amerikanischer Arzt in dieses Lager kam, mich fragte, ob ich Verwandte in der Nähe hätte. Und ich sagte, ja ich habe eine Tante in Lübeck. Und dieser Arzt hat mich dann, da er eh nach Lübeck fahren musste, nach Lübeck gebracht zu meiner Tante. So bin ich aus diesem Gefangenenlager entkommen, das kurz danach von den Russen übernommen wurde. Ich weiß nicht, was aus den anderen geworden ist. Ich jedenfalls hatte das große Glück, dass ich aus dem Lager entkommen bin, mit Hilfe eines deutsch-amerikanischen Arztes.



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Was hat die Währungsreform 1948 für Sie bedeutet?
Die Währungsreform habe ich erlebt während meiner Schulzeit am Gymnasium in Lübeck und ich habe sie hauptsächlich dadurch zur Kenntnis genommen, dass ich endlich anständig zu essen hatte. Damals habe ich unglaublich gehungert. Ich habe nie so viel gehungert wie 1947. Den ganzen Krieg über habe ich nicht so gehungert wie 1947. Das war hauptsächlich mein Erlebnis. Ansonsten hatte ich gar keine Verbindung zu der Zeit. Für mich war entscheidend, dass ich endlich was zu essen hatte. So primitiv war das.



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Wie haben Sie 1949 die Gründung der Bundesrepublik Deutschland erlebt?
Das war insofern ein besonderes Erlebnis, dass ich 1945 mein Abitur gemacht hatte, in Lübeck, und der Eintritt in die Schauspielschule des Deutschen Schauspielhauses im Herbst 1949, fast konform ging mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Das war ein sehr theatralischer Anfang für mich. Aber es ist mir insofern sehr gut bekommen, weil ich von da an das Gefühl hatte, jetzt ist der Krieg erst wirklich zu Ende. Wir waren ein eigenes selbstständiges Land.



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Was für Hoffnungen hatten Sie damals bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland?
Ich war deswegen auch voller Hoffnung, was meine eigene Zukunft angeht.



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Was waren aus Ihrer Sicht 1949 die wichtigsten Themen für Sie persönlich und für die Menschen mit denen Sie zu tun hatten? In welcher Form haben Sie sich damit beschäftigt?
Aus beruflichen Gründen, weil ich sehr viel mit meiner eigenen Entwicklung zu tun hatte, habe ich mir sehr wenig Gedanken darüber gemacht. Ich stand mitten in der Ausbildung und war dann auch gleich am Theater und hatte auch da gar keine Beziehung zur Politik. Und habe mir da gar keine Gedanken gemacht über die Gründung der Bundesrepublik. Ich war nur sehr froh darüber, dass wir einen Bundeskanzler hatten, der die Europapolitik eingeleitet hat.
Und das war für mich der entscheidende Gedanke, dass daraufhin es wahrscheinlich keinen Krieg in Europa mehr geben würde, wenn das sich positiv entwickeln würde. Das war mein Gedanke zu der Zeit und das hat sich ja auch erwiesen. Insofern haben wir großes Glück gehabt mit den Politikern, die wir da hatten, die diese Entwicklung, die sich heute als so positiv erweist, in Gang gebracht haben. Das war mir damals schon bewusst. Der Europagedanke war auch das Entscheidende für mich. Das Bewusstsein: Wenn die Europäer sich einig sind, gibt es innerhalb Europas keinen Krieg mehr. Das sehe ich heute auch so. Das ist fast ausgeschlossen, dass es innerhalb Europas einen Krieg geben könnte. Was den Balkankrieg bedeutet hat, hängt natürlich mit der Vorkriegszeit zusammen. Das war ja kein geschlossener Staat. Der ist ja verallgemeinert worden durch Jugoslawien. Dass man aus verschiedenen Völkerschaften einen Staat gemacht hat, der gar nicht existieren konnte auf die Dauer.
Ich habe das große Glück gehabt in der Bundesrepublik, für die Deutsche Welle tätig zu sein. Ich habe bei der Deutschen Welle z. B. erlebt, dass während des Balkankrieges, serbische und kroatische Abteilungen zusammengearbeitet haben, zusammen Sendungen fabriziert haben, die dann dorthin ausgestrahlt worden sind. Die Deutsche Welle konnte schon weltweit immer etwas dafür tun, dass die Völker besser miteinander umgingen. Das hat damals für die Serben und Kroaten unglaublich viel bedeutet, die den deutschen Sender gehört haben, dass es da eine Einigkeit zwischen den Serben und Kroaten innerhalb Deutschlands gab. Das war für mich ein entscheidendes Erlebnis in dieser Bundesrepublik, die ich in der Zwischenzeit sehr schätzen gelernt habe. Und dass ich sehr besorgt darüber bin, dass es auch so weiter gehen möchte. Ich persönlich kann der Weiterentwicklung Deutschlands nur positiv entgegensehen, wenn sich am bestehenden System etwas ändert. Wir müssen den Föderalismus aufgeben zugunsten einer größeren Zentralisation, was Wirtschaftspolitik, Wissenschaftspolitik, Kulturpolitik usw. angeht. Sonst haben wir keine Konkurrenzmöglichkeit anderen Ländern gegenüber in Europa und in der Welt. Der Föderalismus, der anfangs gut war für uns und auch von den Besatzungsmächten verlangt wurde, damit wir nicht wieder ein großes starkes einiges Land werden sollten, das hat sich überholt. Wir sind ein anerkanntes Land in der Welt, wir müssen jetzt eine Zentralregierung haben, die mehr von der Mitte her leitet. Sonst kommen wir in der Wirtschaftlichen und Wissenschaftlichen Entwicklung nicht voran.



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Was waren aus Ihrer Sicht nach 1949 die wichtigsten Themen für Sie persönlich und für die Menschen mit denen Sie zu tun hatten? In welcher Form haben Sie sich damit beschäftigt?




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